Autor Thema: Kampagne gegen JVA in Rottweil?  (Gelesen 4074 mal)

Norbert

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Kampagne gegen JVA in Rottweil?
« am: 19. März 2009, 06:31:19 »
Nachdem der Gemeinderat der Stadt Rottweil den Bau einer Justizvollzugsanstalt im Esch bei
der Neckarburg abgelehnt hat, meldet der Radiosender SWR1 am Donnerstagmorgen um 5.30
Uhr, dass sich die Stadt Rottweil erneut gegen den Bau einer JVA ausgesprochen habe.
Dabei kam die Ablehnung des ursprünglichen Standorts Stallberg nicht von Rottweil, sondern
vom Land Baden-Württemberg.

Wäre ich ein Drahtzieher irgendwo in der Administration des Landes Baden-Württemberg
und mein Interesse wäre es, die neue JVA nicht in Rottweil, sondern zum Beispiel in
Villingen-Schwenningen zu bauen, hätte ich den folgenden Masterplan:

1. Den weitgehend akzeptierten Standort Stallberg ablehnen.

2. Immer wieder öffentlich kundtun, dass man an Rottweil als Standort der neuen JVA festhalte.

3. Darauf vertrauen und vielleicht etwas nachhelfen, dass bei diesem angstbesetzten Thema die kurzfristige Suche nach einem Alternativstandort fehlschlagen wird.

4. Rottweil kann keinen geeigneten Standort anbieten und trägt damit die Schuld, dass keine JVA gebaut werden kann.

5. Die Stadt XYZ springt als Retter in der Not ein und bietet einen neuen Standort an, Rottweil ist draußen.

Zurück bleiben zerstrittene und ahnungslose Rottweiler und eine neue JVA in XYZ.

Die einzige Möglichkeit, sich gegen einen solchen Masterplan zu wehren, besteht darin, auf den
Standort Stallberg zu bestehen und öffentlich deutlich zu machen, welches Unding die Ablehnung
des Stallbergs nach 30-jähriger Planung durch das Land Baden-Württemberg war. Die Ablehnung
des Stallbergs kann eigentlich nur zwei Gründe haben:

1. Grenzenlose Dummheit beim Umgang mit dem sensiblen Thema JVA

oder

2. Rottweil gegen XYZ auszubooten

Rottweil muss darauf bestehen, dass am Stallberg gebaut wird und dass die Gipsvorkommen den Bau
nur etwas verteuern würden, aber dass diese Verteuerung gegenüber der Neuerschließung eines
Alternativstandorts zu vernachlässigen wäre. Dann hätte Baden-Württemberg den Schwarzen Peter
und müsste seinen Wortbruch, dass die neue JVA in Rottweil gebaut wird, erstmal erklären.

« Letzte Änderung: 19. März 2009, 06:33:27 von Norbert »

gula

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Re: Kampagne gegen JVA in Rottweil?
« Antwort #1 am: 19. März 2009, 22:27:35 »
Was wäre denn so schlimm daran, wenn eine andere Stadt die JVA bauen würde?
Ich denke, die Rottweiler Bürger könnten sehr gut darauf verzichten. Egal, wie sicher so ein Gefängnis auch sein mag, ein Restrisiko wird trotzdem immer bleiben und in der Bevölkerung für ein ungutes Gefühl sorgen.

Was den Standort Stallberg anbelangt, so würde sich der Bau dort nicht nur "etwas verteuern", sondern er wäre finanziell ein Fass ohne Boden. Wie gut man Anhydrit technisch im Griff hat, sieht man recht deutlich an der Autobahn A81 im Bereich bei Bochingen. Da waren die Geologen damals auch der Meinung, man müsse "nur" dafür sorgen, dass kein Wasser in den Untergrund kommt und schon wären alle Probleme behoben. Seither wird dieser Autobahnabschnitt regelmäßig alle paar Jahre saniert. Bei einer Autobahn kann man, mal von den laufenden Kosten abgesehen, notfalls damit leben. Ein Gebäude in der Größe der geplanten JVA ist aber starr und reagiert auf Bewegungen des Untergrunds mit Rissen. Die sind nicht nur unschön, sondern können bei entsprechender Anzahl und Rissbreite sogar die Standsicherheit gefährden. Eine dauerhafte Abdichtung funktioniert zwar theoretisch, praktisch ist sie mit dem heutigem Stand der Technik aber einfach nicht machbar. Schon ein einziger Regenschauer während der Aushubarbeiten könnte den Untergrund über viele Jahre in Bewegung halten. Die Entscheidung, am Stallberg keine JVA zu bauen ist also völlig richtig. Weshalb man allerdings 30 Jahre lang gebraucht hat, um zu dieser Erkenntnis zu kommen, frage ich mich auch.

Gula

Norbert

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Re: Kampagne gegen JVA in Rottweil?
« Antwort #2 am: 20. März 2009, 06:25:26 »
Die neue JVA muss nicht nach Rottweil kommen, aber wenn sie nach Rottweil kommen soll, dann nur am Stallberg, ein anderer
Standort hat keine realistische Chance bei dem angstbesetzten Thema. Die JVA in Rottweil wäre eine langfrisitge Unterstützung
der heimischen Wirtschaft und des Arbeitsmarkts.

Zum Restrisiko sage ich nur, dass das ganze Leben ein Restrisiko hat. Verglichen mit den Risiken beispielsweise im Straßenverkehr
ist das Risiko, durch die JVA geschädigt zu werden, gleich Null. Jeder, der mit diesem Argument arbeitet, hat eben keine besseren
Argumente und handelt lediglich nach dem St. Florians-Prinzip: Brenn nicht mein Haus an, sondern eines in der Nachbarschaft.

Mit dem Gips im Untergrund scheinst Du Dich gut auszukennen, ich nicht. Ich weiß nur, dass es Experten gibt, die sagen, dass das
Problem in den Griff zu bekommen sei. Falls nicht, dann wird es eben in Rottweil keine neue JVA geben.

Was mich wirklich stört, ist, dass vom Land BW nicht mit offenen Karten gespielt wird. Die Entscheidung gegen Rottweil ist längst
gefallen, das war eigentlich schon klar, als der Standort Stallberg abgelehnt wurde. Das Land musste wissen, das Rottweil auf die
Schnelle keinen geeigneten Ersatzstandort anbieten kann.

Nur damit klar ist: Eine JVA im Esch über dem Naturschutzgebiet bei der Neckarburg wäre ein Verbrechen!

Gruß
Norbert
« Letzte Änderung: 20. März 2009, 06:28:07 von Norbert »

gula

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Re: Kampagne gegen JVA in Rottweil?
« Antwort #3 am: 20. März 2009, 23:21:33 »
Hallo Norbert,

ich glaub zwar nicht so recht, dass eine JVA für die örtliche Wirtschaft wirklich so viel bringen wird, wie sich manch einer erhofft. Aber selbst, wenn dadurch  nur eine handvoll Arbeitsplätze geschaffen werden, ist das ja auch schon besser, als nichts.

Mit dem St. Florians- Prinzip hast Du natürlich absolut recht. Wenn eine JVA benötigt wird, muss sie eben irgendwo gebaut werden. Es gibt aber schlimmeres! Lieber ne JVA vor der Tür, als z.B. eine Müllverbrennungsanlage oder gar ein ein KKW.

Zum Glück scheint ja nun der Standort bei der Neckarburg endgültig vom Tisch zu sein.

Dass ich mich mit Gips und Statik etwas auskenne, bringt mein Beruf als Dipl.-Bauingenieur so mit sich. Ich muss aber zugeben, dass auch ich ein paar Kollegen kenne, die eine andere Meinung vertreten. Wer schon mal eigenhändig versucht hat, ein Flachdach so abzudichten, dass es auch nach 10 Jahren noch zu 100% dicht ist, der kennt bestimmt den Unterschied zwischen Theorie und Praxis.

Gruß
Gula
 

Norbert

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Re: Kampagne gegen JVA in Rottweil?
« Antwort #4 am: 22. März 2009, 07:42:04 »
Hallo gula,

Es gibt kein Flachdach, dass 10 Jahre dichthält, da gebe ich dir völlig recht. Dass Gips im Untergrund sehr
problematisch ist, nehme ich Dir gerne ab, Du weisst das bestimmt besser als ich, schon wegen Deiner
Berufserfahrung. Bei Expertenratschlägen habe ich mir inzwischen eine gewisse Skepsis angeeignet,
man kann eigentlich für  j e d e  Meinung einen Experten finden, der diese unterstützt. Um Hintergründe
zu verstehen ist die folgende Frage leider zielführender: Wer profitiert persönlich von welchen Entscheidungen.

Zur A81 bei Bochingen: Ich kann mich erinnern dass sogar mal der Spiegel über die Gipsproblematik berichtet
hat. Mein Eindruck ist, dass der Gips dort langsam zur Ruhe kommt, es wird nicht mehr so häufig ausgebessert
wie noch vor Jahren.

Dass der Standort bei der Neckarburg erst mal vom Tisch ist, hat wohl viel damit zu tun, dass in RW die Wahlen
zum OB und zum Kreistag anstehen, wenn die gelaufen sind, ... ... wir werden sehen.

Gruß
Norbert