Autor Thema: Privatisierung der Krankenhäuser im Kreis Rottweil?  (Gelesen 3204 mal)

zorro

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Privatisierung der Krankenhäuser im Kreis Rottweil?
« am: 05. November 2009, 19:06:28 »
Annette Baumann schrieb für den Betriebsrat des Krankenhauses Rottweil einen Leserbrief an die NRWZ zur drohenden (Teil-) Privatisierung der Krankenhäuser im Landkreis Rottweil:

Zitat
Die Diskussion um das Gesundheitswesen im Landkreis Rottweil wird derzeit sehr einseitig geführt und man gewinnt den Eindruck, es ginge nur um die Belange der Raumschaft Schramberg, sowie eine finanzielle Entlastung des Landkreises.

Es geht aber auch um das Krankenhaus in Rottweil. Wir sind eine gemeinsame GmbH und sowohl von einer Umstrukturierung als auch von einer Privatisierung wären beide Häuser gleichermaßen betroffen. Genauso haben beide Häuser unter den Fehlern der Vergangenheit zu leiden. Es gab kein Zukunftskonzept und es wurde nichts investiert.

Jetzt einen privaten Gesellschafter bzw. Betreiber für die Krankenhäuser ins Spiel zu bringen ist durchaus eine mögliche Option. Ob sich die Antragsteller bzw. die Task Force darüber im Klaren sind, dass dieser (Schnell-) Schuss gewaltig nach hinten losgehen kann, ist zu bezweifeln, denn die Forderung, die von Ihnen gestellt wird würde bedeuten, dass in Schramberg alles so bliebe wie es ist, mehr sogar, es müsste die Anästhesieabteilung für einen 24-Stunden Bereitschaftsdienst personell aufgerüstet werden.

Ein privater Krankenhausbetreiber will und muss Gewinne erwirtschaften und das wäre auch in unserem Landkreis so. Da diese Unternehmen sicherlich über die Vorkommnisse der letzen Jahre in unserem Landkreis bestens informiert sind, werden sie formal einer Aufrechterhaltung des Standortes Schramberg, wie von den Antragstellern gewünscht, zustimmen. Aber eine Hintertür wird bei Zustandekommen eines Vertrages sicherlich bestehen, damit später eine Verlagerung, Teilschließung oder gar Schließung des Krankenhauses Schramberg für diesen privaten Betreiber möglich sein wird.

Dass ein Vetorecht, wie gefordert, eingeräumt wird, ist äußerst unwahrscheinlich. Herr Maurer würde nach einem Verkauf seines Unternehmens auch kein weiteres Mitspracherecht mehr haben! Gewinnoptimierung wird auch in Schramberg bedeuten: Schließung der Küche, Verlagerung des Labors, Ausgliederung der Physiotherapieabteilung und des Reinigungsdienstes, sowie Gründung von Servicegesellschaften als erste Einschnitte nach einer Übernahme eines privaten Krankenhausbetreibers. So werden Personalkosten zu Sachkosten!

Es bleibt deshalb zu befürchten dass in Schramberg nach einer Privatisierung mittelfristig, also in 3 – 5 Jahren, weniger übrig bleibt als mit einer Kreislösung. Wenn dies das Ziel sein soll, kann man einer Privatisierung ruhig zustimmen. Leider werden von manchen Autoren auch verschiedene Sachverhalte falsch wiedergegeben, so ist es z.B. nicht richtig, dass schwerere Fälle vom Krankenhaus Schramberg weggenommen worden wären.

Ebenso ist der Vergleich mit Oberndorf völlig falsch, da dort eine nahezu ausgeglichene Bilanz mit einer Fallzahlsteigerung in den letzten Jahren vorliegt. Es geht bei der Diskussion über die Krankenhäuser im Landkreis Rottweil schon lange nicht mehr um die medizinische Versorgung der Bevölkerung, sondern um Machtkämpfe einzelner Personen, die die Ängste der Mitarbeiter und das Vakuum, das die Entscheidungsunfähigkeit der zuständigen Gremien hinterlässt, für ihre eigenen Interessen nutzen. Hierbei können alle nur verlieren.

Schon seit Jahren lassen sich manche Patienten ihre Hüftprothese in München, ihren Leistenbruch in Stuttgart oder ihre Schilddrüse in Konstanz operieren, obwohl dies alles in unseren Krankenhäusern bestens bewerkstelligt werden kann. Hier ist auch kein Weg zu weit! Das Wichtigste ist doch eine adäquate medizinische Erstversorgung und diese wäre am Standort Schramberg weiterhin gegeben.

Es bleibt für die Bevölkerung des gesamten Landkreises und alle Beschäftigten der Krankenhäuser zu wünschen, dass die Kreistagsmitglieder sich ihrer Verantwortung für eine verlässliche und dauerhafte Gesundheitsversorgung bewusst sind und nicht den vermeintlichen Heilsversprechungen privater Gewinnmaximierer erliegen.

Annette Baumann, für den Betriebsrat des Krankenhauses Rottweil

zorro

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Re:Privatisierung der Krankenhäuser im Kreis Rottweil?
« Antwort #1 am: 07. November 2009, 09:24:15 »
Nun streiten sich auch noch die Betriebsräte aus Schramberg und Rottweil anstatt gemeinsam gegen eine Privatisierung und anschließender Lohndrückerei vorzugehen:

Zitat
Frau Baumann ist nicht nur Betriebsratsvorsitzende des Kreiskrankenhauses Rottweil, sondern Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates, also verantwortlich für die Vertretung der Interessen beider Krankenhausstandorte.

Als Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates hat sie verkannt, dass es nicht um die Interessen einseitig von Schramberg geht, sondern um die Belange ALLER Mitarbeiter, die sie zu vertreten hat. Mit dieser Stellungnahme hat Frau Baumann das Vertrauen der Schramberger Mitarbeiter jedoch verloren. Schade.

Der Betriebsrat in Schramberg kämpft um den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze an BEIDEN Standorten. Denn – egal zu welcher Lösung es kommen wird, ob Privatisierung oder Kreisvariante – betroffen sind ALLE Mitarbeiter der GmbH! Denn: der ggf. zu erstellende Sozialplan betrifft nicht nur Schramberger Mitarbeiter, sondern auch Rottweiler Mitarbeiter. Sollte Oberndorf den Vertrag mit dem Kreis unterschreiben, so wären auch diese Mitarbeiter im Sozialplan zu berücksichtigen. Der Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze an BEIDEN Standorten sollte deshalb das gemeinsame Ziel sein. Eine unzureichende Information kann nur dazu führen, dass Gräben weiter aufgerissen werden anstatt eine Einheit zu bilden.

Es geht schon lange nicht mehr um die medizinische Versorgung, schreibt Annette Bauman. Die von ihr beschriebenen Machtkämpfe zwischen Personen mögen vorhanden sein. Wir weisen diesen Satz als Verallgemeinerung aufs Schärfste zurück: Denn es gibt sehr, sehr viele Bürger im Kreis, die Angst haben, dass die medizinische Versorgung für mehr als 24.000 Mitbürger verloren geht und die sich dafür einsetzen, dass alles nur mögliche getan wird, um weiterhin eine gute medizinische Versorgung auch in dieser Raumschaft sicherzustellen.

Ein Punkt, der bislang überhaupt noch nicht berücksichtigt wurde, ist die Sicherstellung im Falle des Katastrophenfalles wie in der Vergangenheit vorgefallen. Es werden sich noch viele an die Ereignisse bei den Firmen Schweizer Electronic und Vega in Schiltach erinnern. Es geht hier um die Sicherstellung des MANV (Massenanfall von Verletzten oder Erkrankten) nach § 28 Abs. 2 LKHG („....dass auch bei einem Massenanfall von Verletzten oder Erkrankten eine ordnungsgemäße Versorgung der Patienten gewährleistet werden kann.“) Im Falle einer „Portalklinik“ hoffen wir für die Betroffenen, dass eine geeignete Lösung gefunden wird...

Ein privater Krankenhausbetreiber will und muß Gewinne erwirtschaften, sagt Frau Baumann. Wir stellen uns die Frage, muß dies der Kreis denn nicht ? Wir wären außerdem froh, wenn wir über eine Gewinnoptimierung sprechen würden. Hier geht es zuallererst darum, aus einem dicken roten Minus herauszukommen, wobei dieses dicke Minus nicht nur aus Schramberg stammt, sondern auch ein sechsstelliger Minusbetrag aus Rottweil zu Buche schlägt. Aber um bei Gewinnoptimierung zu bleiben – dass eine Gewinnoptimierung immer mit Veränderungen einher geht, ist allen Mitarbeitern bewusst.

Frau Baumann nimmt weiter an, dass nach einer Privatisierung nichts mehr übrig bleibt. Dies ist eine reine Vermutung, die mit nichts zu belegen ist. Im Gegenteil, bei einer Leistungskonzentration wie im Frühjahr als Variante 3 b beschlossen und daher noch weiter gültig, kann durch optimierte Prozesse eine verbesserte Wirtschaftlichkeit erlangt werden. Nichts anderes tun Private auch. Alles was über das bislang öffentlich vorgestellte Ergebnis des Ergänzungsgutachtens hinausgeht, kann insgesamt nur noch besser sein.

Im Vergleich zu ihr will der Betriebsrat in Schramberg, dass sämtliche Alternativen auf den Tisch kommen, um eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen mit den geringsten Arbeitsplatzverlusten in der Gesamt-GmbH.

Wir vergeben uns nichts, wenn wir versuchen, alle anderen Möglichkeiten auszuschöpfen, die für uns in Frage kommen, um im Kreis eine ausreichende flächendeckende medizinische Versorgung sicherzustellen, ohne dauerhaft auf Zuschüsse des Landkreises angewiesen zu sein. Es wäre ein Organisationsverschulden des Kreises, wenn dies nicht wahrgenommen würde, zumal die Bürger als Steuerzahler die Last am Ende zu tragen haben. Wir hoffen, die Kreisräte sind sich Ihrer Verantwortung bewusst. Der vorzeitige Entschluß zu einer „Portalklinik“ würde ohne Zweifel bedeuten, dass die Kreisumlage steigt und die Bürger von Schramberg und deren Umlandgemeinden damit mehr Geld für weniger Leistung zu zahlen hätten.

Die Aufregung ist momentan nicht nachvollziehbar, da es jetzt noch nicht darum geht, über Privatisierung ja oder nein zu entscheiden, sondern darum, die sich bietenden Möglichkeiten zu erurieren und auszunutzen. Einer möglichen Kooperation oder Fusion mit benachbarten Krankenhäusern oder einem Klinikverbund stehen wir ebenfalls positiv gegenüber. Jedoch sollten alle sich bietenden Möglichkeiten ausgeschöpft und erst danach eine Entscheidung getroffen werden.

Jürgen Roßmannek, Betriebsratsvorsitzender Schramberg und stlv. Gesamtbetriebsratsvorsitzender

Zimmerner

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Widerstand gegen Privatisierung von Kliniken ist erfolgreich
« Antwort #2 am: 09. November 2009, 17:44:46 »
Der Kreistag hat sich am 9. November 2009 für einen Bieterwettbewerb entschieden. Die Privatisierung des Krankenhauswesen im Landkreis Rottweil droht.

Nach einer Meldung von Kanal 8 haben sich über 89% der Wähler beim gestrigen Bürgerentscheid der Initiative „Krankenhäuser in Bürgerhand“ gegen die Privatisierung der drei Kreis-Krankenhäuser in Pfarrkirchen, Eggenfelden und Simbach am Inn ausgesprochen, die Wahlbeteiligung lag bei rund 54%. Nur rund 11% der Stimmberechtigten folgten damit dem Beschluss des Kreisstags.

http://www.nachdenkseiten.de/?p=4324
« Letzte Änderung: 09. November 2009, 18:48:27 von Zimmerner »

Zimmerner

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Re:Privatisierung der Krankenhäuser im Kreis Rottweil?
« Antwort #3 am: 04. Dezember 2009, 18:34:34 »
Personal in privaten Kliniken hat deutlich mehr Betten zu versorgen als in öffentlichen Häusern:

http://www.boeckler.de/pdf/pm_wsi_2009_12_02.pdf

Zimmerner

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Stoppt den Privatisierungs-Irrsinn!
« Antwort #4 am: 20. Juni 2010, 09:42:18 »
Alles über den Irrsinn der Privatisierung:

Was ist PPP?
Finanzielle Folgen von PPP
Unterstützer und Profiteure
Wieso schadet PPP unserer Demokratie?
Was können wir tun?

http://www.ppp-irrweg.de/ag-privatisierung/start-ppp-irrweg/

Zimmerner

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Nachdenkseiten: Irrweg PPP
« Antwort #5 am: 09. Juli 2010, 17:48:37 »
Öffentlich Private Partnerschaft (ÖPP) oder Private Public Partnership (PPP), die vertraglich geregelte langfristige Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und der Privatwirtschaft, zeigte sich in der Praxis oftmals als teures Patentrezept. Mit der Begründung, der Öffentlichen Hand mit diesem Modell bei knappen Kassen wieder finanzielle Freiräume zu schaffen, fand dieses Konzept Eingang in Stadträte, Kreis- und Landtage sowie in den Bundestag. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac hat im Juni eine deutschlandweite PPP-Irrweg-Kampagne begonnen, um Bürgerinnen und Bürger in 20 Städten über die Hintergründe und Gefahren der Privat-Öffentlichen-Partnerschaften aufzuklären. Zahlreiche Bürgerinitiativen beteiligten sich an der Aktion, einzelne Bürgerinnen und Bürger schrieben offene Briefe an ihre Kommunalverwaltungen und forderten sie auf, neue PPP-Verträge zu unterbinden und bestehende Verträge endlich einer demokratischer Kontrolle zu unterziehen. Höhepunkt der Aktion war die Initiative zu einem Volksbegehren gegen die Geheimhaltung des PPP/ÖPP-Projekts der Berliner Wasserversorgung, das am 27. Oktober 2010 endet. Von Christine Wicht

http://www.nachdenkseiten.de/?p=6144